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Ungarn: östlich der Donau

Hírszerkesztő , 9. Januar 2009 16:00

Drei Viertel des Landes liegen östlich der Donau. Weite Landschaften, wilde Natur und eine Vielzahl von Thermalbädern wollen entdeckt werden. Christian Wieselmayer hat am Theiß-See nach seltenen Vögeln Ausschau gehalten. In der Puszta ist er auf Hirten, die so genannten Gulyás, gestoßen. Sie sind nicht nur die Namensgeber des ungarischen Nationalgerichts, sondern züchten wie schon vor 200 Jahren Graurinder. Und er hat Debrecen, das Rom der Kalvinisten im äußersten Osten des Landes, nahe der rumänischen Grenze, besucht. Eine Stadt in Aufbruchsstimmung.

Der Theiß-See hat eine Fläche von 127 km² und entstand Mitte der 1960er Jahre, als die Theiß reguliert und das Kiskörer Stauwerk errichtet wurde. Ursprünglich sollte damit der Wasservorrat der Region gesichert werden, doch schon wenig später erlangte der neu geschaffene See mit seinen vielen kleinen Inseln große Bedeutung als Umweltschutz- und Fremdenverkehrsgebiet. Es ist erstaunlich, wie schnell die Natur arbeiten und etwas Grandioses schaffen kann. Der See ist heute, knapp 40 Jahre nach seiner Entstehung bis auf wenige Ausnahmen Teil des Nationalparks Hortobágy, dem ersten und größten Nationalpark Ungarns und das Vogelreservat Theiß-See wurde Ende der 1990er Jahre sogar in die Liste des UNESCO Welterbes aufgenommen.

Wir erreichen Tiszafüred, eine mittelgroße Ortschaft am Tisza-tó, auf Deutsch Theiß-See, gelegen am frühen Nachmittag und übersehen beinahe das kleine Hinweisschild am Ortseingang das den Weg zum Hotel Tisza Balneum, wo wir die nächsten Tage wohnen werden, weist. Die 390 Kilometer von Wien haben wir fast ausschließlich auf Autobahnen zurückgelegt und dafür fast viereinhalb Stunden gebraucht. Wäre da nicht noch immer das leidige Problem des „sich-durch-Budapest-Stauens“, ging´s gut eine dreiviertel Stunde schneller. Abhilfe wird der demnächst fertige Autobahnring um die Hauptstadt schaffen. Das Tisza Balneum ist ein neuer Hotelkomplex, der direkt am Ufer des Theiß-Sees liegt, und sich sanft und unaufdringlich in die Landschaft einfügt. Das Haupthaus aus drei Stockwerken und 51 Zimmern bestehend, ist nicht sehr groß und die daneben um eine kleine Bucht errichteten Bungalows mit je zwei Wohneinheiten vermitteln eher den Eindruck von kleinen komfortablen Badehäusern, wie man sie auch an österreichischen Seen findet.

Mehr als 200 der 380 in Ungarn heimischen Vogelarten sind rund um den Theiß-See beheimatet. Der See ist aber nicht nur Heimstätte für eine viele, zum Teil nur noch hier lebende Vögel, sondern er ist auch für seinen Fischreichtum berühmt. Über 50 Fischarten machen den Theiß-See zu einem Anglerparadies, besonders im Spätherbst, wenn der See Niedrigwasser aufweist. Zander, Schleie, Spinnfisch, Karpfen, Wels und Hecht, um nur einige zu nennen, werden von passionierten Anglern entweder direkt vom Strand oder von kleinen motorisierten Booten aus gefangen. Nicht nur wir beobachten von der Hotelterrasse aus die Fischer, auch die Kraniche und Reiher haben ein wachsames Auge auf die Angler, könnte doch der eine oder andere gefangene Fisch wieder zurück in den See geworfen und so zu einer leichten Beute für die Vögel werden.

Ein einzigartiges Naturschauspiel, das man allerdings nur im Frühjahr und zwar in der zweiten Juni-Hälfte beobachten kann, ist der Flug der Eintagsfliegen, Tiszavirág, zu Deutsch Theißblüten genannt. Nach erfolgter Paarung und Eiablage sterben die Fliegen und fallen zu hunderttausenden in den See und verwandeln das Wasser in ein Blütenmeer. Diese Eintagsfliegen stehen unter strengem Naturschutz, selbst auf das Einsammeln bereits toter Tiere stehen hohen Strafen. Dass alles erfahren wir entlang des 1,5 km langen Eintagsfliegen-Lehrpfads, der über eine der Inseln im See führt und das ganze Jahr über begehbar ist. Abends beim Essen auf der Hotelterrasse erleben wir einen malerisch schönen Sonnenuntergang als perfekten Abschluss unseres ersten Tags.

Bei strahlend blauem Himmel machen wir uns auf den Weg, um der Pusztalandschaft im Nationalpark Hortobágy einen Besuch abzustatten. Der Nationalpark liegt mitten in der ungarischen Puszta, die mit 44.000 km² ungefähr die Hälfte der Fläche Ungarns ausmacht. Der erste ungarische Nationalpark Hortobágy wurde 1973 gegründet und ist mit einer Größe von 82.000 ha der größte Ungarns und gilt gleichzeitig auch als das größte Salzsteppengebiet Mitteleuropas. Dieser Teil Ungarns ist ebenfalls seit 1999 Teil des UNESCO Welterbes. Die Gründung des Nationalparks geht übrigens auf eine Initiative von Konrad Lorenz zurück, der Ende der 1960er Jahre in dieses Gebiet reiste und gemeinsam mit seinen ungarischen Kollegen und Kolleginnen die dringende Empfehlung an die Regierung abgab, dieses landschaftlich einmalige Gebiet unbedingt zu schützen. Rund ein Drittel des Nationalparks besteht aus Seen und Sümpfen obwohl das ehemalige Überschwemmungsgebiet der Thieß seit der Flussregulierung nicht mehr, sowie die vorangegangenen Jahrhunderte, regelmäßig überschwemmt wird. Dafür besinnt man sich aber heute wieder auf die Züchtung seltener und nur in der ungarischen Puszta vorkommende Haustierrassen.

Das vom Aussterben bedrohte Graurind wird hier eben so wieder gehalten und von den Puszta-Hirten betreut wie der Wasserbüffel, das Woll- oder Mangaliza-Schwein und die Zackelschafe. Zu Zeiten der K. u. K.-Monarchie wurden riesige Graurind-Herden von hier aus nach Wien und weiter nach Nürnberg getrieben, um die Versorgung der Großstädte mit Fleisch sicherzustellen. Noch heute ist ein Teil des historischen Csárda-Systems, eine Abfolge von Puszta-Schenken, erhalten. Sie dienten, in regelmäßigen Abständen errichtet, als Raststätten für die Hirten mit ihren Herden aber auch für Händler und Durchreisende auf der alten Salzstraße von Debrecen nach Budapest. Heute sind diese Schenken beliebte Raststätten für Wanderer, Radfahrer und Besucher des Nationalparks. Viele ungarische Spezialitäten, zum Teil aus biologischer Landwirtschaft, werden in den Schenken angeboten. Einem Betyárpecsenye Hágymas, zu Deutsch Räuberbraten vom Mangaliza-Schwein oder dem Salmbuc, einer Hirtenspezialität aus Nudeln und Erdäpfeln, zubereitet im Kessel aus offenem Feuer, können wir ebenso wenig widerstehen, wie der Tárkonyos Bivalyraguleves, einer Ragoutsuppe aus Büffelfleisch mit Estragon. Zugegeben, nicht ganz die leichte Küche, aber nach einem Tag in der Puszta ist eine deftige Mahlzeit genau der richtige Abschluss.

Den größten Heil- und Freibadkomplex Europas finden wir in Hajdúszoboszló, rund 80 km von Tiszafüred entfernt. Das, so erfahren wir an der Hotelrezeption, dürfen wir uns auf keinen Fall entgehen lassen. Bereits in den 1960er Jahren errichtet, wurde das Areal nach und nach erweitert und umfasst heute eine Fläche von 30 ha mit insgesamt 13 Becken, die Badebereiche mit dem braunen, stark jodhaltigen Thermalwasser mit eingerechnet. „Die mediterrane Küste“, eine riesiges Freibecken mit Sandstrand; Piratenschiff und Palmen ist ebenso eine Attraktion wie der angrenzende Aquapark für Kinder, der mit einer Vielzahl an Wasserrutschen mit Namen wie Twister, Riesenrutsche, schwarzes Loch oder verrückter Fluss lockt. Selbstverständlich gibt es auf dem Gelände ein Hallenbad mit einem 50-Meter-Schwimm- und Sportbecken. In der Hochsaison sind 18.000 Besucher pro Tag keine Seltenheit und das bei gerade einmal knapp 24.000 Einwohnern.

Noch etwas ist auf dem Gelände einmalig und unter Kennern sehr geschätzt: János Gönczi, der Gulaschkoch. In 10 verschiedenen Kesseln werden 10 verschiedene Sorten Kesselgulasch angeboten. Rindsgulasch, Mangaliza-Schweinsgulasch, Kuttelgulasch und Gulasch aus Innereien sind nur einige der Highlights. Dazu gibt es aber 4 unterschiedliche Beilagen zur Auswahl, Erdäpfel, Reis, Nudeln, Spätzle. Man möchte das fast schon dürftig nennen. „Nur das Kesselgulasch ist das original ungarische Gulasch“, erklärt der Wirt. „Das Fleisch muss im Kessel über offenem Feuer gekocht werden, nur so bekommt es seinen typisch rauchigen Geschmack“. Er ist stolz sein Gulasch, das er jeden Tag neu zubereiten muss, wie er betont. „Eigentlich schmeckt es ja zweimal aufgewärmt am Besten, aber es bleibt einfach nie etwas übrig“.

Nur 73 km von unserem Domizil am Theiß-See entfernt liegt Debrecen, die zweitgrößte Stadt Ungarns, auch das Rom der Kalvinisten genannt. Seit nunmehr fast 500 Jahren ist sie das Zentrum der Region „Nördliche Tiefebene“ und eines der kulturellen Zentren Ungarns. Debrecen ist durch und durch vom Protestantismus geprägt. Vorübergehend war sogar die Ausübung des katholischen Glaubens verboten. Heute prägt die Reformierte Großkirche das Bild der Innenstadt. Die vor dem Dom neue angelegt Fußgängerzone hat sich zu einem Publikumsmagneten entwickelt. Unzählige Straßencafes, Geschäfte, Bars und Restaurants laden zum Bummeln oder zum Verweilen ein. Auf dem Platz vor der Großen Kirche befindet sich übrigens auch das Denkmal des ungarischen Freiheitskämpfers Lajos Kossuth, der am 14. April 1849 in Debrecen die Entthronung der Habsburger verkündete.

Gleich hinter der Großen Kirche liegt das Reformierte Kollegium, ebenfalls fast 500 Jahre alt. Die ehemals protestantische Hochschule beherbergt heute wertvolle Bücher, Handschriften und eine große kunstgewerbliche Sammlung. Erst ein knappes Jahr alt ist hingegen das „Modem“, Debrecens Museum der Moderne, das sich aber in dieser kurzen Zeit bereits zu einem Mekka für zeitgenössische Kunst in Ungarn entwickelt hat. Die knapp 210.000 Einwohner zählende Stadt im Osten Ungarns, nahe der rumänischen Grenze hat aber auch sonst noch einiges zu bieten. Vom Frühjahr bis spät in den Herbst hinein finden zahllose Konzert-, Theater- und kulinarische Veranstaltungen statt. So sind die sehr populären „Debrecener Putentage“, ein alljährliches kulinarisches Highlight, ebenso wie der seit 100 Jahren stattfindende Blumenkarneval oder die Jazztage mit in- und ausländischen Jazzstars. Wir wären aber nicht in Ungarn, wenn nicht auch hier das Wasser eine große Rolle spielten würde. Debrecen blickt auf eine 180 Jahre alte Tradition der Badekultur zurück. Das Thermalbad Aquaticum wurde im ersten Naturschutzgebiet Ungarns, das aus dem Jahr 1939 stammt, errichtet. Wassersport spielt in Ungarn traditionell eine große Rolle.

So verwundert es auch nicht, dass Debrecen erst kürzlich ein neues Hallenbad mit einem 50-Meter-Sportbecken errichtet wurde. Debrecen möchte in Zukunft nicht nur eine bedeutende Rolle in Ungarn spielen, man möchte auch ein europäisches Zentrum werden, internationale Sportveranstaltungen, große Konzerte oder Theaterabende ausrichten. Für diesen Zweck wurde erst kürzlich die Fönix-Halle, eine Veranstaltungshalle für bis zu 10.000 Besucher, errichtet. Stolz ist man auch auf das erste 5-Stern-Hotel der Stadt, das ebenfalls erst wenige Monate alt ist. Damit soll Debrecen auch für größere Kongresse attraktiv werden. Pläne für einen Ausbau des internationalen Flughafens gibt es bereits. Mit dem neuen Mediterran-Erlebnis-Center, einem überdachten Erlebnisbad mit seiner üppigen Pflanzenwelt, einer Kletterwand, 12 Rutschen, Wasser-Chopper und Whirlpool, wird das Freizeitangebot der Stadt abgerundet.

Unser „Abenteuer Ost-Ungarn“ lassen wir am Theiß-See beim Schwimmen, Bootfahren und Entspannen in aller Ruhe und Gelassenheit ausklingen. Es war eine wunderbare Entdeckungsreise, auf der wir Dinge gesehen und gehört haben, die wir nicht wussten und einen Teil Ungarns kennengelernt, der uns neben dem landschaftlichen Reiz auch die Menschen und ihr Leben in der Region nähergerbacht hat. Unser Tipp: Gehen Sie auf Entdeckungsreise.

Quelle: www.wirwarendort.at

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